Kapitel 19


Haushalt, Familie und soziale Nahbeziehungen

Dieses Kapitel erläutert und präsentiert die im Bericht verwendeten Typologien für Lebens- und Erwerbsformen, auf die viele Berichtsgegenstände als Bezugsrahmen zurückgreifen, und beschreibt auf dieser Grundlage Strukturveränderungen von Haushalten und Familien.

Haushalte und Familien vermitteln zwischen ökonomischer und sozialer Teilhabe: Sie bieten Arbeitskraft an und konsumieren Güter und Dienstleistungen, sie organisieren alltägliche Lebensführung und realisieren soziale Nahbeziehungen. Haushalts- und Familienstrukturen bilden einerseits eine grundlegende Analyseeinheit für die Berichterstattung, andererseits sind sie als Ergebnis sozioökonomischer Entwicklung selbst ein Berichtsgegenstand. Veränderungen in Bildung und Organisation von Haushalten und Familien bzw. Familienbeziehungen werden beeinflusst durch demografische und wirtschaftliche Faktoren, sie drücken aber zugleich auch subjektive Wahlentscheidungen aus. Dabei sind „Haushalt“ und „Familie“ jeweils unterschiedliche soziale Zusammenhänge, die einander immer weniger entsprechen: Großfamiliäre Netzwerke spielen weiter eine bedeutende Rolle, werden aber zunehmend über die Grenzen verschiedener Haushalte hinweg organisiert. Dadurch wandeln sich Konsum-, Beziehungs- und Erwerbsmuster.

An eine theoretisch begründete Abgrenzung der Zentralbegriffe „Familie“ und „Haushalt“ schließt sich eine Auseinandersetzung mit folgenden Forschungsfragen an:

  • Welche Faktoren beeinflussen die Familien- und/oder Haushaltsgründung?
  • In welchen Konstellationen sind Haushalte und Familien miteinander verbunden?
  • In welchem Ausmaß und in welcher Form sind Haushalte bzw. Familien als Wohlfahrtsproduzenten miteinander verbunden? Welche Rolle spielen dabei (wechselseitige) Unterhaltsverpflichtungen und deren Realisierung?
  • Wie beeinflusst staatliche und sozialstrukturelle Regulierung die Entwicklung von Familien- und Haushaltsstrukturen (etwa derzeit über die Bestimmung der Bedarfsgemeinschaften in der Grundsicherung), und wo stehen sozialstaatliche Normalitätsannahmen über Wohlfahrtsproduktion und gegenseitige Unterhaltsverpflichtung von Familien in Spannung zu tatsächlichen Lebensweisen?
  • Um Haushalte und Familien als Wohlfahrtsproduzenten darzustellen, ist das Arbeitsangebot nicht allein individuell, sondern im Haushalts- und Familienzusammenhang zu beobachten: Welche Erwerbskonstellationen (Verdienermodelle) werden realisiert, und was sind Bedingungsfaktoren dafür?

Für soeb 2 werden drei Haushaltstypologien benötigt. Wichtig ist jeweils eine möglichst gute  Anschlussfähigkeit an die Familien- und Haushaltstypologien des Statistischen Bundesamtes und der Familienberichterstattung.

  • Für die Bildung der Haushaltstypen werden die Zahl der Haushaltsmitglieder, Paarbeziehungen, das Alter der erwachsenen Haushaltsmitglieder sowie Zahl und Alter der Kinder unterschieden (d.h. Kinder im betreuungspflichtigen Alter werden gesondert ausgewiesen).
  • Haushaltserwerbstypen berücksichtigen zusätzlich die Erwerbsbeteiligung der erwachsenen Haushaltsmitglieder, u.a. unterschieden nach Voll- und Teilzeit.
  • Um Analysen in Mikrodatensätzen an die sozioökonomische Modellierung anschlussfähig zu machen, müssen die sozioökonomischen Haushaltstypen des Statistischen Bundesamts gebildet werden, die auf der überwiegenden Einkommensart der Haushaltsbezugsperson basieren.

Haushaltstypologien sind auch so zu konstruieren, dass sie an die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe anschlussfähig sind. Auf diese Weise sollten Einkommensanalysen auf der Haushaltsebene unter Berücksichtigung von Haushaltszusammensetzung und Erwerbskonstellationen ermöglicht werden.

Bei der Unterscheidung von Familienhaushalten ist als zusätzliches Merkmal der Familienstand zu berücksichtigen. Ferner ist einzubeziehen, ob sich die Kern- oder erweiterte Kernfamilie auf mehrere Haushalte aufteilt, wobei die räumliche Nähe ein weiteres Merkmal ergibt (z.B. Aufteilung von Familien über mehrere Haushalte am selben Ort). Diese primären verwandtschaftlichen Nahbeziehungen bilden ein Typisierungsmerkmal für Haushalte und Familien.

Als Datengrundlagen werden das SOEP und der Mikrozensus verwendet.