Projektinhalt

Zielsetzung/Fragestellung

Das Projekt ist auf drei Jahre angelegt und als Nachwuchsgruppe mit drei Promovierenden unter der Leitung von Prof. Dr. Berthold Vogel konzipiert. Das Forschungsvorhaben leistet im Rahmen des FGZ sowohl einen begrifflich-theoretischen als auch einen empirisch-analytischen Beitrag. Öffentliche Güter begründen Zusammenhalt, eröffnen individuelle und kollektive Freiheitsräume und schaffen gesellschaftlichen Wohlstand. Wer öffentliche Güter zum Thema macht, bewegt sich im gesellschaftsanalytischen Feld von Staat, Ökonomie und Zivilgesellschaft.

Öffentliche Güter sind Gegenstand von Verteilungs- und Ressourcenkonflikten. Diese Konflikte können (lokale) Gesellschaften auseinandertreiben, aber auch zusammenführen, indem sie neue Bindekräfte ermöglichen. Daraus ergeben sich eine Reihe von Fragen: An welchen (neuen) sozialen Orten werden öffentliche Güter hergestellt und bewirtschaftet? Welche sozialräumliche und -strukturelle Wirkung haben öffentliche Güter? Schließlich: Wer trägt im Spannungsfeld staatlicher, wirtschaftlicher und zivilgesellschaftlicher Akteure die Verantwortung für öffentliche Güter? Die beantragte Nachwuchsgruppe systematisiert die Praxis des Zusammenwirkens von öffentlicher Hand, lokaler Ökonomie und zivilgesellschaftlicher Aktivität und lenkt die Aufmerksamkeit auf innovative Formen des sozialen Zusammenhalts in sich verändernden soziodemographischen und -ökonomischen Kontexten.

Die Verantwortungsfrage gilt es in drei Richtungen auszuleuchten: In ökonomischer Hinsicht – welche Akteur*innen tragen zur Bewirtschaftung öffentlicher Güter bei? In rechtlicher Hinsicht – welchen Beitrag zu öffentlichen Gütern leisten Verwaltung und Justiz? In politischer Hinsicht – welche Rolle spielen zivilgesellschaftliche Akteur*innen für Bestand und Zukunftsfähigkeit öffentlicher Güter? Wer über Zustand und Zukunft des gesellschaftlichen Zusammenhalts forscht, der kommt nicht umhin, Quantität und Qualität öffentlicher Güter systematisch zum Gegenstand soziologischer Forschung zu machen. Ein besonderes Augenmerk muss dabei jenen gelten, die mit der Herstellung, Pflege und Verwaltung öffentlicher Güter beauftragt und befasst sind. Von deren Leistungsfähigkeit und -bereitschaft hängt maßgeblich die kohäsive Qualität pluraler und differenzierter Gesellschaften ab.

Im Mittelpunkt der empirischen Arbeit der Nachwuchsgruppe stehen qualitativ orientierte Fallstudien. Weitere wichtige Bausteine sind Umfeldanalysen, die Daten bezüglich regionaler, lokaler und kommunaler Kontexte zusammentragen, sekundärstatistische Auswertungen vornehmen und auch der historischen Recherche Raum geben. Die Nachwuchsgruppe beteiligt sich zudem an der standardisierten Regionalerhebung des TI Halle und folgt damit einem „mixed methods“-Ansatz. Zugänge und Anregungen aus den BMBF-Projekten „Das-Soziale-Orte-Konzept. Neue Infrastrukturen gesellschaftlichen Zusammenhalts“ und „Gesellschaftlich notwendige Dienstleistungen sicherstellen. Wie attraktiv ist die Arbeit am Gemeinwohl?“ können für die Nachwuchsgruppe nutzbar gemacht werden. Schließlich: Das FGZ muss Raum bieten für experimentelle Formen der Sozialforschung – das gilt insbesondere im Bereich einer Nachwuchsgruppe. Hierzu zählen soziografische Methoden (zum Beispiel fotografisch oder filmisch aufbereitete Ortsbegehungen, das Erstellen von Beobachtungsprotokollen, das Führen von Haustürgesprächen, etc.) sowie der systematische Einbezug von Formen der Sozialreportage.

Thematischer Bezug zu gesellschaftlichem Zusammenhalt

1. Öffentliche Güter sind Infrastrukturen und normative Prinzipien des Zusammenhalts. Nach soziologischem Verständnis umfassen öffentliche Güter die Wasser- und Energieversorgung, Telekommunikations- und Verkehrsinfrastrukturen, medizinische und pflegerische Dienste, soziale Sicherheit sowie die Schul- und Weiterbildung, aber auch die öffentliche Verwaltung und Rechtsprechung. Als Infrastrukturen des Zusammenhalts sorgen sie für gesellschaftliche Resilienz und Reaktionsfähigkeit in Krisensituationen.

2. Mit der Thematik der öffentlichen Güter kommt die kohäsive und selektive Kraft des Wohlfahrtsstaates in den Blick. Der Staat garantiert die gleiche Teilhabe aller Bürger*innen an öffentlichen Gütern, gewährleistet deren Qualität und sichert deren Finanzierung durch Steuern, Gebühren und Beiträge. Das gilt unabhängig davon, ob er öffentliche Güter selbst erbringt oder ob Private sie produzieren. Zugleich provoziert die staatliche, privatwirtschaftliche oder zivilgesellschaftlich organisierte Verteilung öffentlicher Güter regelmäßig Verteilungs- und Nutzungskonflikte. Diese Konflikte haben spaltende und verbindende Effekte.

3. Wer über Zustand und Zukunft des gesellschaftlichen Zusammenhalts forscht, der kommt nicht umhin, Quantität und Qualität öffentlicher Güter systematisch zum Gegenstand soziologischer Forschung zu machen. Ein besonderes Augenmerk muss dabei jenen gelten, die mit der Herstellung, Pflege und Verwaltung öffentlicher Güter beauftragt und befasst sind. Als Lehrkräfte und Verwaltungsangestellte, als Mediziner*innen oder technische Versorger*innen wirken sie an der Wirklichkeit gesellschaftlichen Zusammenhalts mit. Von deren Leistungsfähigkeit und -bereitschaft hängt maßgeblich die kohäsive Qualität pluraler und differenzierter Gesellschaften ab.